10. Dezember 2024

«ChatGPT stellt kein verlässliches Wissen dar»

ChatGPT und andere künstliche Intelligenz (KI) konzipiert, schreibt, verbessert, korrigiert und illustriert für uns. Doch: Darf man das überhaupt einsetzen im Studium? Wie aussagekräftig sind schriftliche Arbeiten und Prüfungen, wenn ChatGPT mit im Spiel ist? Dr. Juliane Felder, Dozentin für Kommunikation an der FHNW, gibt Antwort.
Autor/in: Daniela Furrer, Fachspezialistin Kommunikation
Teilen auf

Bildquelle: KI-generiert via Adobe Firefly

 

ChatGPT verarbeitet viele Informationen, macht aber auch viele Fehler, wenn es um «richtiges Wissen» geht. Sollen Hochschulen den Einsatz von generativer KI deshalb verbieten? Viele Hochschulen in der Schweiz beantworten diese Frage mit einem «Nein». Da KI bereits im Arbeitsalltag etabliert ist, mache es keinen Sinn, den Studierenden den Umgang damit zu verbieten. Vielmehr sollen sie lernen, mit ChatGPT und Co. umzugehen. Doch was bedeutet das für das Studium? Dr. Juliane Felder, Dozentin für Kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft der FHNW, beantwortet brennende Fragen.

 

Wie schulen Sie Studierende und Mitarbeitende im Umgang mit KI?

An der FHNW gibt es bereits eine Palette von Angeboten, die Studierende und Mitarbeitende im Umgang mit KI schulen und unterstützen. Dazu gehören verschiedene interne Weiterbildungskurse, letzten Herbst eine Innovation School, oder speziell verfasste Richtlinien von den Bibliotheken oder dem Rechtsdienst. Ausserdem gibt es FHNW-weite Netzwerke, an denen alle Interessierten teilnehmen können.

 

Wie stellen Sie sicher, dass KI-Tools verantwortungsvoll eingesetzt werden?

Ich thematisiere und nutze KI mit den Studierenden in meinem Unterricht, zum Beispiel in den Modulen Wissenschaftliches Schreiben und Kritisches Denken für Erstsemesterstudierende. Da sie zunehmend KI-Tools verwenden, teilweise aber unkritisch, finde ich die kritische Reflexion besonders wichtig: Wofür und wie lässt sich KI gut einsetzen, wo müssen wir Grenzen ziehen, zum Beispiel vor dem Hintergrund der guten wissenschaftlichen Praxis?

Zu diesem Zweck konnten wir ein Forschungsprojekt durchführen, das sehr erfolgreich war. Es kam bei den Studierenden gut an und wurde im Sommer 2024 mit dem Innovationspreis der FHNW ausgezeichnet.

 

Worauf schauen Sie bei der Auswahl von KI-Tools? Nutzen Sie kostenlose Versionen?

Für meinen Einsatz von KI in der Lehre wähle ich nur Tools aus, die allen Studierenden frei und kostenlos zugänglich sind – wobei wir hier das Thema Datensicherheit besprechen, denn natürlich «zahlen» die Studierenden mit Daten. Muss ein Benutzerkonto erstellt werden, überlasse ich es meinen Studierenden, ob sie das tun möchten. Da sie meist in Gruppen arbeiten, gab es bislang immer mindestens eine Person pro Gruppe, die bereits einen Zugang hatte, beispielsweise zu ChatGPT.

Die Studierenden geben nach den Übungen Feedback zur Nutzung der Tools, sodass ich sofort reagieren könnte, wenn etwas nicht gut laufen sollte. Ausserdem bin ich Mitglied in verschiedenen internationalen Netzwerken und Thinktanks zum Thema KI im Hochschulkontext, wo wir immer wieder auch die Vor- und Nachteile verschiedener KI-Tools diskutieren. So bleibe ich auf dem neuesten Stand.

 

Wie nutzen Ihre Studierenden KI-Tools im Studienalltag?

Die Studierende nutzen verschiedene Tools, allen voran ChatGPT, für alles Mögliche. Dazu gehören das Verfassen und Überarbeiten von Texten, offensichtlich auch E-Mails. Sie nutzen ChatGPT aber auch als Wörterbuch, als Ersatz für Google-Suchen oder anstelle eines Lexikons. Gerade Letzteres ist äusserst bedenklich, da ChatGPT nicht verlässlich «Wissen» darstellt. Vielen Studierenden ist das nicht bewusst. Hierzu muss man natürlich verstehen, wie generative KI funktioniert. Daher bespreche ich das gleich zu Beginn des ersten Semesters.

 

Wie bewerten Sie Leistung, wenn KI genutzt wird? 

Zunächst muss, darf oder soll nicht bei jeder «Leistung» KI verwendet werden. Es gibt durchaus Szenarien, wo im Sinne der Lernziele die Nutzung von KI nicht zielführend ist. Wenn Dozierende dies von Anfang an klarstellen, müssen die Studierenden sich daran halten. Prüfungen können auch mündlich abgehalten werden, um KI auszuschliessen. Bei schriftlichen Arbeiten, bei denen die Nutzung von KI erlaubt ist, steht immer die «geistige Eigenleistung» im Vordergrund. Die Studierenden unterschreiben eine Eigenständigkeitserklärung. «Unerlaubte Hilfe» wäre zum Beispiel, wenn Studierende sich ganze Texte oder Passagen von KI schreiben lassen, ohne selbst inhaltlich beizutragen. 

Wie wir Leistung in Zukunft bewerten und was «unerlaubte Hilfe» künftig bedeutet, lässt sich nicht so einfach beantworten. Dazu entwickelt sich alles viel zu schnell weiter. Wir müssen an der Hochschule ständig dranbleiben und die Lehre, Prüfungen und auch Richtlinien laufend anpassen.

 

Weiterführende Informationen

© ask! – Beratungsdienste für Ausbildung und Beruf