10. Juni 2024

«Was, du machst hier eine Lehre?» – Frauen in Männerberufen

Immer mehr Frauen trauen sich, in von Männern dominierten Berufen Fuss zu fassen. Eine von ihnen ist Milena Frühauf. Sie erzählt, welche Vor- und Nachteile es hat, als Frau auf dem Bau zu arbeiten.
Autor/in: Daniela Furrer, Fachspezialistin Kommunikation
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Es ist ein alter Hut: Männer bevorzugen handwerkliche und technische Berufe, Frauen Berufe im Dienstleistungssektor und in der Pflege. Dies hat sich in der Schweiz bis 2023 nicht geändert, wie man den Zahlen des Bundesamtes für Statistik entnehmen kann. Es gibt sie aber, die Jugendlichen, die sich für einen Beruf entscheiden, der typischerweise dem anderen Geschlecht zugeordnet wird. Dabei arbeiten eher Frauen in typischen Männerberufen als umgekehrt, wie SRF berichtet.

Eine Branche, die sich um mehr Frauen bemüht, ist die Baubranche. 2022 waren rund 15 % der Mitarbeitenden Frauen. Einige Berufe haben einen extrem niedrigen Frauenanteil wie z. B. Strassenbauer/in mit 1.8 %.

Milena Frühauf ist eine dieser 1.8 %, sie macht derzeit bei der Cellere Bau AG ihre Lehre. «Ich wollte draussen arbeiten. Also habe ich mich informiert und den Beruf Strassenbauer/in gefunden. Mir war zwar klar, dass es wenig Frauen sind, aber ich hab’s einfach gemacht. Meine Mutter ist fast vom Hocker gefallen, als ich sagte ‹Hey, ich könnte doch Strassenbauerin werden›.» Heute unterstützen ihre Eltern sie sehr, wie auch ihr Arbeitgeber Cellere: «Mit meinem Vorgesetzten komme ich sehr gut aus, er schaut, dass ich immer etwas Neues lerne und dass ich in einem guten Team bin.»

«Hast du nichts Besseres gefunden?»

«In der Gruppe, in der ich arbeite, ist mir nie jemand blöd gekommen, es hat mir nie jemand gesagt, ich könne etwas nicht», erzählt Milena. Etwas anders sieht es aus, wenn jemand sie noch nicht kennt: «Teilweise nehmen sie mir Sachen aus der Hand oder tragen etwas für mich», berichtet sie amüsiert. «Schwierig sind manchmal die Fragen, z. B. ob ich nichts Besseres gefunden hätte oder ‹Was, du machst hier die Lehre?› Ich muss immer erklären, warum ich diese Lehre mache und dass ich das auch kann.»

Bei einem körperlich so fordernden Beruf stellt sich die Frage nach der Kraft. Aber: Schwere Arbeiten sind kaum noch ein Problem für Milena. Man gewöhne sich daran, je mehr man am Schaufeln und Herumlaufen ist, desto einfacher gehe es. «Und wenn es einmal nicht geht, dann kann man immer jemanden fragen und man macht es zu zweit.»

Immer 125 % geben

Herausfordernd ist laut Milena, dass sie das Gefühl hat, immer 25 % mehr geben zu müssen als ihre männlichen Kollegen: «Man muss zeigen, dass man es auch kann», so Milena. Sie sieht es als Vorteil an, wenn vermehrt Frauen auf der Baustelle anzutreffen sind: «Ich habe das Gefühl, wenn eine Frau in der Gruppe ist, dann verhält sich das gesamte Team etwas anders, der Umgang wird angenehmer.»

Doch wie rekrutiert man Frauen?

Andrea Ming, Direktorin des CAMPUS SURSEE, hat konkrete Tipps, wie man Frauen für Bauberufe begeistern kann: «Man kann beispielsweise bei den Stelleninseraten ansetzen. Wichtig ist hier Storytelling. Wenn eine Frau im eigenen Betrieb arbeitet, kann man sie z. B. um ein Statement bitten. Richtige Beispiele statt gekaufter Bilder sind sehr wichtig. Wo man ausserdem ansetzen kann, ist bei den Arbeitszeitmodellen, damit Beruf und Familie vereinbar werden. Ein weiterer Hebel: Frauen, die auf dem Bau arbeiten, nehmen eine Vorbildfunktion ein. Es macht Sinn, mit ihnen auf Veranstaltungen oder in Schulen zu gehen, zu zeigen, dass es sie gibt und dass es absolut normal ist.»

Reto Bischofsberger von der Cellere Bau AG berichtet: «Es bewerben sich nur ab und zu Frauen bei uns für eine Schnupperlehre als Strassenbauerin oder Maurerin. Dies vor allem nach Schulbesuchen unserer Ausbildungsverantwortlichen mit Milena. Diese Besuche sind die beste Motivation.» Trotzdem bleibe es am Ende oft bei einer «Erlebniswoche».

Milena ist überzeugt: «Würden mehr Frauen bei uns schnuppern, dann würde es auch mehr Frauen gefallen.» Auf die Frage, ob es denn schwer gewesen sei für sie, eine Schnupperlehre zu finden, antwortet Milena: «Gar nicht. Ich habe mich bei vier Betrieben beworben und konnte bei allen schnuppern.» Reto Bischofsberger betont: «Wir sind bei der Auswahl unserer Lernenden Frauen gegenüber absolut offen. Was für uns zählt, ist die Person und ihre Motivation resp. Eignung für den Beruf. Bauen wird immer draussen stattfinden und deshalb ist eine gewisse Robustheit Bedingung für diese Berufe. Unabhängig vom Geschlecht sind die dafür geeigneten und motivierten Menschen gesucht.»

Schwierig dabei: Bezugspersonen wie zum Beispiel Eltern und Lehrpersonen haben oft ein verzerrtes Bild, sehen Bauberufe grundsätzlich als «zweite Wahl», als «hart und dreckig», wie Bischofsberger erzählt. «Es ist unsere Aufgabe, dies in der Gesellschaft besser und richtiger darzustellen.» Das kennt auch Milena, sie hat jedoch zwei Tipps: «Unbedingt schnuppern. Und einfach machen, auch wenn Kollegen, Eltern oder Lehrer sagen, es passt nicht. Wenn man nur theoretisch überlegt, weiss man nicht, ob der Beruf etwas ist. Man muss wirklich hingehen und schnuppern.»

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