13. Juni 2023

So entsteht ein neuer Beruf

Wandel und Dynamik prägen die Arbeitswelt: Neue Berufe entstehen, bestehende werden revidiert oder verschwinden. Dass dies nicht von heute auf morgen geschieht, beleuchten wir in diesem Artikel.
Autor/in: Nadja Böller, Fachspezialistin Kommunikation
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Sanft fällt das Sonnenlicht auf eine Baustelle mit einem Solardach. Zimmermänner, Dachdeckerinnen und Betriebselektriker montieren ein Solarpanel nach dem anderen und verbinden alle Kabel. Das Schweizer Fernsehen filmt das Geschehen und interviewt die Arbeiterinnen und Arbeiter. Momentan besteht die Solarbranche aus ungefähr 10'000 solcher Quereinsteigenden. Laut swissolar, dem Verband der Solarbranche, wird sich der Bedarf an Fachkräften infolge Energiewende bis 2035 mindestens verdoppeln. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, haben die Verbände swissolar und Polybau zwei neue Berufe entwickelt: Im August 2024 starten die ersten Lernenden als Solarinstallateur/in mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) und Solarmonteur/in mit eidgenössischem Berufsattest (EBA). Schnupperlehren sind bereits heute möglich. Schüler Joe ist einer der ersten Interessenten und darf ein paar Tage auf dem Solardach mitarbeiten.  

Keine Schnellschüsse

Die neuen Berufe der Solarbranche sind beispielhaft für die Berufsfeldentwicklung, denn die Berufsbildung orientiert sich an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. Bis eine neue Lehre angeboten werden kann, braucht es in der Regel zwei bis drei Jahre. Die Verbände arbeiten bei der Entwicklung eng mit Unternehmen, Bund und Kantonen zusammen. Als erstes analysieren sie den Arbeitsmarkt und das Umfeld des Berufes. Danach erarbeiten sie die Bildungspläne und suchen nach Firmen für die Ausbildung. Nach einer Vernehmlassung innerhalb der Branche reichen die Verbände die Bildungspläne dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) ein. Das SBFI prüft diese Pläne, erstellt die entsprechende Bildungsverordnung und schickt diese in Vernehmlassung. Parallel dazu erfolgt bereits die konkrete Umsetzung. Dazu gehört in erster Linie, den Beruf bekannt zu machen: Medienbeiträge, Informationsanlässe für Berufsinformationszentren, Ausbildungsbetriebe und Berufsbildnerinnen und Berufsbildner, Teilnahme an Berufsbildungsmessen etc. Das Berufsmarketing für neue Berufe ist besonders anspruchsvoll. Der Verband swissolar setzt schon jetzt auf ein breites Angebot an Schnupperlehren und eine gute Marketingkampagne.

Von der Gegenwart in die Zukunft

Sobald die ersten Lernenden ihre Lehre erfolgreich abgeschlossen haben, wird sich zeigen, ob sich der Beruf auf dem Arbeitsmarkt bewährt. Im Berufsfeld der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) haben sich die in den 1980er-Jahren entstandenen und laufend revidierten Lehren in Informatik längst etabliert. In den letzten Jahren sind weitere Informatikberufe, wie z. B. Mediamatiker/in EFZ oder Gebäudeinformatiker/in EFZ, dazugekommen. Im August 2023 starten zudem die ersten Lernenden als Entwickler/in Digital Business. Ähnlich wie bei der Solarbranche ist diese Lehre aus dem starken Bedarf nach entsprechenden Fachkräften entstanden.

Kontinuierlicher Wandel

Das SBFI evaluiert gemeinsam mit den Verbänden bestehende Grundbildungen im Fünf-Jahres-Rhythmus. Es überprüft wirtschaftliche, technologische, ökologische und didaktische Entwicklungen und passt bei Bedarf die Anforderungen an die Lehre an. Im Zuge einer solchen Evaluation wurden in den letzten Jahren die beiden meistgewählten Berufe der Kaufleute und Detailhandelsfachleute grundlegend erneuert. Wie in der ICT-Branche ist der Megatrend Digitalisierung auch in diesen Branchen ein wichtiger Treiber für Veränderungen. Im Detailhandel gibt es seit 2022 neu die betrieblichen Schwerpunkte «Gestalten von Einkaufserlebnissen» und «Betreuen von Online-Shops». Die überarbeiteten Grundbildungen der kaufmännischen Branche (EFZ und EBA) treten ab 2023 in Kraft. Im Fokus steht die Orientierung an Handlungskompetenzen und Wahlpflichtbereichen anstatt an Profilen.

Die Bildungsverordnungen Solarinstallateur/in EFZ und Solarmonteur/in EBA treten am 1. Oktober 2023 in Kraft. Bereits diesen Herbst suchen die Ausbildungsbetriebe der Solarbranche nach den ersten Lernenden Solarinstallateur/in EFZ und Solarmonteur/in EBA. Ob sich bis in zehn Jahren der Bedarf an Fachkräften gedeckt haben wird, wird sich zeigen. Der Schnupperlernende Joe hilft bei der Montage von Solarpanels an einem grossen Gebäude und wird im Fernsehbeitrag des Schweizer Fernsehens kurz interviewt. «Solar is the future», sagt er, während im Hintergrund langsam die Sonne untergeht.
 

 

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