18. November 2021

Morgen, morgen – nur nicht heute

Wer kennt es nicht? Eine unleidige Arbeit steht an, man schiebt sie vor sich hin und der Druck verstärkt sich zusehends. Was man dagegen tun kann, weiss die Psychologin Karin Lehmann.
Autor/in: Andrina Sarott, Fachspezialistin Kommunikation
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Das Auf- und Verschieben sowie das häufige Unterbrechen von Arbeiten sind Phänomene, unter denen fast alle Menschen in irgendeiner Form leiden. Eigentlich sollte man die anstehende Aufgabe erledigen, aber man kann sich einfach nicht dazu aufraffen. Anstatt sie anzupacken, schiebt man sie vor sich her und beschäftigt sich lieber mit angenehmeren Tätigkeiten. «Je komplexer die Aufgabe ist, je mehr zeitlichen Spielraum man hat und je mehr man selbst das Erledigen der Arbeit steuern kann, desto grösser ist die Versuchung des Aufschiebens», erklärt Karin Lehmann, Psychologin bei ask!. «Bevorzugt werden in solchen Momenten Aufgaben, die schneller und leichter erledigt werden können und eine sofortige Belohnung versprechen.»

Beeinträchtigte Selbststeuerung und die Ursachen

Häuft sich dieses Verhaltensmuster des Hinauszögerns von anstehenden notwendigen Tätigkeiten, handelt es sich nicht mehr um einen kurzfristigen Motivationsmangel, sondern um eine beeinträchtigte Selbststeuerung. Diese führt kurzfristig zu Stress und kann langfristig zu einem ernsthaften Problem werden. Der Leidensdruck wird immer grösser und die persönlichen Ziele können beeinflusst werden. Diese schwerwiegende Form der Aufschieberitis nennt sich im psychologischen Fachjargon «Prokrastination». «Die Ursachen dieses Verhaltens sind sehr vielfältig», meint die Psychologin. «Beispielsweise, dass man befürchtet, die gestellte Aufgabe aufgrund von fehlendem Wissen oder mangels Erfahrung nicht lösen zu können.» Zu hohe Ansprüche, unrealistische Ziele oder Schwierigkeiten mit der Selbstorganisation können ebenfalls mögliche Gründe sein.

Was hilft gegen Aufschieberitis?

«Man sollte sich bewusst machen, dass die Aufschieberei eine dysfunktionale Gewohnheit ist, die auf Dauer viel mentale Energie kostet», sagt Karin Lehmann. «Denn man muss ständig daran denken, was man noch alles erledigen müsste. Zudem wird der Berg an Aufgaben immer grösser und in der Konsequenz nimmt die Belastung enorm zu.» Wenn zum inneren noch der soziale Druck von aussen hinzukomme, werde das Problem noch schwerwiegender. Es gibt verschiedene Methoden, gegen diese Gewohnheit des Verschiebens vorzugehen. Eine Hilfe ist das Unterteilen einer komplexen Aufgabe in kleinere Teilschritte, welche wiederum in eine logische zeitliche Abfolge gebracht werden müssen (siehe ALPEN-Methode). Eine weitere mögliche Technik ist das Definieren von Zeitfenstern für die verschiedenen Teilschritte, sogenannte Timeboxes. «Damit schafft man eine klare Planung und Struktur», erklärt die ask!-Psychologin. «Die Timeboxes zeigen auf, wann der Teilschritt erledigt wird und wie viel Zeit man dafür einsetzt. Damit setzt man sich selbst eine Deadline.» Der Fokus werde somit erhöht, die Konzentration gesteigert und es bleibe keine Zeit für Multitasking oder Ablenkung. Ausserdem ist die Kommunikation ein wichtiger Punkt. Wenn man anderen erzählt, welche Aufgaben man bis wann zu erledigen hat, kann man sanften sozialen Druck aufbauen. Denn die Fragen, wie weit man gekommen ist, bleiben bestimmt nicht aus.

Konzentriert bleiben

Beim Arbeiten sollte man auf eine passende ruhige Umgebung mit gutem Licht und frischer Luft achten. Zusätzlich ist es hilfreich, auf digitale Ablenkung zu verzichten und regelmässig Pausen einzulegen (siehe Pomodoro-Technik). Viele haben ein sogenanntes Anfangsritual, wie beispielsweise den Lieblingssong zu hören oder einen Tee zu kochen. Wenn man einen Meilenstein erreicht hat, sollte man sich dafür auch belohnen, beispielsweise mit einem Lied oder einem Eis. Dies sorgt dafür, dass man motiviert bleibt.

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Text und Fotos: Andrina Sarott, Fachspezialistin Kommunikation und Unsplash, Freestocks
Infografik: Stefanie Studer, Fachspezialistin Kommunikation 

 

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