10. April 2025

Fehler? Nicht mit mir!

Wir alle kennen Perfektionistinnen und Perfektionisten – oftmals uns selbst. Woher kommt dieser Drang zur Perfektion und was tun, wenn er uns mehr schadet als nützt? Diana Tafra, Psychologin und Psychotherapeutin bei ask!, gibt Auskunft und konkrete Tipps.
Autor/in: Daniela Furrer, Fachspezialistin Kommunikation
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«Ein bisschen Perfektionismus steckt in uns allen – nicht zuletzt, weil unsere Leistungsgesellschaft ihn fördert», weiss Diana Tafra, Psychologin und Psychotherapeutin bei ask! Schon als Kinder lernen wir, dass gute Leistung belohnt wird, während ein Misserfolg Kritik und Tadel nach sich zieht. Der Vergleich mit anderen beginnt früh, sei es im Klassenzimmer oder auf Social Media. Später im Berufsleben wird das Streben nach der bestmöglichen Leistung nicht nur gern gesehen, sondern teilweise geradezu erwartet. Perfektionismus ist nicht per se schlecht, er kann uns zu Höchstleistungen befähigen, aber auch blockieren. Die Grenze zwischen funktionalem («gutem») und dysfunktionalem Perfektionismus ist jedoch fliessend. Problematisch wird es, wenn wir mit Fehlern oder Scheitern aufgrund unserer hohen Massstäbe nicht mehr umgehen können. «Oft verwechseln dysfunktional perfektionistische Menschen das Erreichen hoher Standards damit, stets fehlerlose Arbeit abzuliefern. Fehlerlosigkeit ist jedoch ein Ideal, das nicht zu erreichen ist», erläutert Diana Tafra.

Warum wir perfekt sein wollen

Die Ursachen für dysfunktionalen Perfektionismus sind zahlreich: Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, Angst vor dem Scheitern und seinen Konsequenzen, ausgeprägte Fehlersensibilität, die Abhängigkeit des Selbstwertes von Lob und Erfolg. Die Forschung geht davon aus, dass einige genetisch mehr zu Perfektionismus neigen als andere. Die Hauptursachen für dysfunktionalen Perfektionismus liegen jedoch oft in der Kindheit. «Kinder perfektionistischer oder ehrgeiziger Eltern – oder auch solche, die Vernachlässigung erfahren haben – entwickeln oft unnatürlich hohe Ansprüche an sich selbst, die schwer wieder abzulegen sind», erklärt Diana Tafra.

Die Schattenseiten

Dysfunktionaler Perfektionismus hat viele Nachteile: Ständige Versagensängste, ein schwaches Selbstwertgefühl und dauerhafter Stress, der zu psychischer und körperlicher Erschöpfung führen kann. Zusätzlich steigt das Risiko für Ängste, Depressionen oder Essstörungen. Auch das Burnout-Risiko ist bei Perfektionisten und Perfektionistinnen erhöht.

Hilfe, ich bin zu perfektionistisch!

Sollten Sie merken, dass Ihnen Ihre hohen Ansprüche nicht guttun, können Sie die folgenden Tipps ausprobieren.

  1. Analyse: Überlegen Sie sich, welche Vor- und Nachteile Ihr Perfektionismus hat. Wenn Sie feststellen, dass er mehr schadet als nützt, lohnt es sich, sich selbst genau zu beobachten. Hilfreiche Fragen könnten sein: In welchen Bereichen bin ich perfektionistisch? Welche Gedanken kommen in diesen Momenten auf? Habe ich Angst vor dem Versagen? Wenn Sie die Situationen und Gedankenmuster erkennen, die mit Ihrem Perfektionismus verknüpft sind, können Sie gezielter darauf reagieren.
  2. Reframing: Versuchen Sie, Ihre negativen Gedanken durch positive zu ersetzen. Für viele Perfektionistinnen und Perfektionisten sind z. B. Fehler das Schlimmste. Doch genau hier kann man ansetzen: Anstatt Fehler als Versagen zu sehen, versuchen Sie, sie als Chance zu begreifen. Wenn etwas nicht wie geplant läuft, lernen Sie daraus und nutzen die Gelegenheit sich weiterzuentwickeln.
  3. Experimentieren: Probieren Sie aus, ein oder sogar zwei bis drei Wochen lang Ihr Verhalten zu ändern. Statt eine E-Mail x-mal zu lesen und umzuformulieren, bevor Sie sie verschicken, überprüfen Sie sie nur zweimal auf Fehler und senden sie dann ab. Zu Anfang wird Ihnen das vermutlich schwerfallen. Es ist schwierig, aus den gewohnten Mustern auszubrechen. Versuchen Sie es trotzdem weiter. Am Ende reflektieren Sie: Sind Ihre Befürchtungen eingetreten? Oder haben Sie sich am Ende des Tages entspannter und zufriedener gefühlt?
  4. Paretoprinzip: Dieses Prinzip besagt, dass Sie mit nur 20 % des Gesamtaufwands bereits 80 % des Ergebnisses erzielen können. Das bedeutet nicht, dass Sie Projekte unvollständig abschließen oder sich immer mit 80 % zufriedengeben sollen. Vielmehr hilft der Gedanke dabei, Aufgaben zu identifizieren, die ineffizient sind und möglicherweise verkürzt oder ganz weggelassen werden können. Häufig reichen 80 %.

Weiterführende Informationen

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